Mastitis ist eine typische Faktorenkrankheit. Das heißt, auch wenn sie letztlich eine Entzündungsreaktion auf Infekte oder Gifte (Toxine) ist, wird sie durch äußere Bedingungen wie Herdenmanagement, Stallbedingungen, Fütterung oder Melkhygiene gefördert.

Haltung und Hygiene

Stall- und Melkhygiene sind die wichtigsten Maßnahmen gegen Euterentzündungen. In einem gut geführten Stall hat nicht nur Mastitis weniger Chancen, sondern auch Ketosen, Pansenacidosen, Klauenerkrankungen und Infektionskrankheiten, die das Immunsystem einer Kuh schwächen und Mastitis fördern, werden eingedämmt.

Um die Kuh gesund und ihr Immunsystem stark zu erhalten, müssen Haltungs- und Fütterungsbedingungen stimmen. Das bedeutet:

  • artgerechte Aufstallung und Belegdichte,
  • gesundes Stallklima,
  • saubere Liegeflächen,
  • saubere Einstreu,
  • sauberer Futtertisch,
  • gute Futterqualität (Schimmel vermeiden oder mindestens großzügig entfernen!).

Zitzenkondition

Wenn der Abwehrmechanismus einer Kuh geschwächt bzw. die Zitzenkondition gestört ist, haben Erreger „leichtes Spiel“. Sie können sich im Euter festsetzen, vermehren und eine Euterentzündung auslösen.

Die Zitzenkondition ist ein entscheidender Faktor, denn gesunde Zitzen und damit ein intakter Strichkanal sind die natürlichen Barrieren gegen eindringende Mastitiserreger. Gesunde Zitzen sind nach dem Melken trocken, weich, glatt und rosafarben.

Färbung Erreger Herkunft
gram-positiv Staphylokokken Styphylococcus aureus kuhassoziiert
KNS (koagluase-negative-Staphylokokken) Hautbesiedler
Streptokokken Streptococcus agalactiae kuhassoziiert
aeskulin-positive Streptokokken Streptococcus dysgalactiae kuhassoziiert
Enterokokken/Fäkalstreptokokken umweltassoziiert
A. pyogenes umweltassoziiert
gram-negativ Coliforme E. coli umweltassoziiert
Klebsiellen umweltassoziiert
andere coliforme Erreger umweltassoziiert

Wenn die Abwehrkräfte einer Kuh geschwächt sind, können Erreger in das Euter eindringen und sich massenhaft vermehren. Typische Erreger der Mastitis sind Streptokokken, Staphylokokken, aber auch coliforme Keime, weitere Bakterien, Viren oder Schimmelpilze. Vor allem die giftigen Stoffe, die beim Stoffwechselvorgang von Bakterien entstehen, richten Schaden an, wenn sie beim Absterben der Bakterien freigesetzt werden. Das infizierte Euter schmerzt und ist in seiner Funktion beeinträchtigt. Entzündete Milchdrüsen sind:

  • gerötet,
  • (stark) erwärmt,
  • geschwollen,
  • verhärtet.

Die verschiedenen Ausprägungen der Mastitis zeigen sich jedoch nicht nur in Form der Euterentzündung, sie beeinträchtigen auch die Qualität der Milch.

Subklinische Mastitis

Milchdrüsen/Euterviertel: äußerlich keine erkennbaren Merkmale.
Milch: Veränderung nicht sichtbar, aber:

  • chemische Zusammensetzung verändert,
  • Zellzahl erhöht,
  • Mastitiserreger im Labor nachweisbar.

Hinweis: Ob eine subklinische Mastitis vorliegt, kann anhand der zytologisch-mikrobiologischen Befunde aus Viertelanfangsgemelkproben bestimmt werden.

Oft wird eine subklinische Mastitis chronisch und zeigt dann Veränderungen wie:

  • leichte Verhärtung,
  • Verkleinerung,
  • Knoten (ertastbar),

Die subklinische Mastitis wird oft erst durch Benachrichtigung von Molkerei oder Landeskontrollverband entdeckt. Schalmtest und bakteriologische Untersuchung von Milchproben (siehe entsprechendes Kapitel) geben Klarheit.

Klinische Mastitis

Milchdrüsen/Euterviertel: äußerlich erkennbare Merkmale:

  • gerötet,
  • geschwollen,
  • schmerzend.

Milch: sichtbar verändert

  • von leicht flockig bis wässrig mit Fibrinflocken,
  • Zellzahl pro Milliliter Milch > 100.000,
  • Mastitiserreger im Labor nachweisbar.

Begleitsymptome:

  • Fressunlust / reduzierter Magen-Darm-Aktivität,
  • Fieber,
  • Teilnahmslosigkeit,
  • Milchrückgang.

Schwere klinische Mastitis

Milchdrüsen/Euterviertel: plötzlich auftretende deutliche Entzündungsmerkmale wie:

  • gerötet,
  • vergrößert,
  • geschwollen,
  • stark erwärmt,
  • schmerzend.

Milch: deutlich verändert:

  • wässrig, eitrig mit unterschiedlich großen Flocken oder aber auch blutig,
  • Zellzahl pro Milliliter Milch erhöht.

Begleitsymptome:

  • starke Abwehrreaktion bei Berührungen beim Melken (Melken oft unmöglich),
  • erhöhte Körpertemperatur, aber auch Untertemperatur möglich,
  • oft Festliegen,
  • heftige Atmung,
  • Fressunlust/fehlende Pansenmotorik,
  • keine Milchbildung mehr.

Hinweis: Eine schwere Mastitis kann zum Verenden des Tieres führen. Einige Formen der schweren Mastitis können mit Absterben von Eutergewebe und – vornehmlich bei Weidetieren und Erstkalbinnen – mit Ausbildung von Abszessen einhergehen.

Chronische Mastitis

Euterviertel: Es treten schubweises Mastitis-Symptome auf, eventuelle kommt es zu bleibenden Veränderungen wie:

  • Verkleinerung/Schrumpfung des betroffenen Euterviertels,
  • ertastbare Verhärtungen und Knoten.

Milch kann während des Schubes deutliche Veränderungen zeigen wie:

  • Flocken unterschiedlicher Größe,
  • Fibrinfetzen.

Vorsicht: Das erkrankte Tier ist durchgängig für andere Kühe ansteckend.

Hinweis: Die chronische Mastitis ist das Resultat einer nicht ausgeheilten Euterentzündung. Auch wenn es Zeiten gibt, in denen das Tier gesund erscheint, kann es jederzeit andere Tiere infizieren.

Die klinische Diagnostik stößt bei Mastitiserkrankungen an ihre Grenzen, da die äußeren Symptome keine Rückschlüsse auf die tatsächlichen Erreger zulassen. Es muss also unbedingt eine bakteriologische Untersuchung im Milchlabor durchgeführt werden, um die Erreger und damit die richtige Antibiotikabehandlung exakt zu bestimmen. Die Befunde zeigen zudem die Keimverteilung im gesamten Betrieb an und können zur Verbesserung des Mastitismanagements herangezogen werden. Eine genaue Dokumentation des gesamten Mastitisgeschehens ist ebenfalls ratsam. Als Zielwerte können neben einem möglichst geringen Prozentsatz an Abgängen durch Mastitis ein Wert von unter 8% klinischer Mastitis im ersten Monat nach der Kalbung und unter 12% im Bestand pro Jahr angenommen werden.

Einzeltier- und Bestandsuntersuchung

Am Anfang der Diagnosestellung steht die Einzeltieruntersuchung. Die zytologisch-mikrobiologische Untersuchung aus Viertelanfangsgemelkproben dient dem Erkennen von subklinischen Mastitiden. Sie sollte auch bei Kühen, deren Milch eine hohe Zellzahl enthält, vor dem Trockenstellen durchgeführt werden.

Eine Bestandsuntersuchung möchte jeder Landwirt natürlich aufgrund der Kosten vermeiden. Sie ist jedoch anzuraten, wenn eine Infektion durch kuhassoziierte Erreger oder seltene Keime vermutete wird.

Leitkeimbestimmung und Resistenztest

Die Leitkeimbestimmung gibt Auskunft darüber, welcher Erreger das Infektionsgeschehen einer Mastitis in der Hauptsache verursacht. Ist der Haupterreger (Leitkeim) bekannt, können Vorbeugemaßnahmen für das Einzeltier (bei klinischer Mastitis und hohen Zellzahlen vor dem Trockenstellen) und den gesamten Bestand (bei einer Bestandssanierung) getroffen werden. Die Antibiotikatherapie auf Basis der Leitkeimbestimmung entspricht überdies den Antibiotikaleitlinien, die unter anderem von den Kontrollbehörden herangezogen werden.

Für die Erregerbestimmung stehen neben den klassischen Milchlabors auch Schnelltests zur Verfügung, die ohne langes Warten schnell Einblick in das Infektionsgeschehen geben. Mit dem von Vetoquinol angebotenen Schnelltest VetoRapid kann ein Tierarzt innerhalb von 24 Stunden den Erreger auf Gattungs- und auch auf Speziesebene bestimmen. Eine Leitkeimbestimmung für die Herde kann so ganz unkompliziert und schnell durchgeführt werden.

Der Schnelltest VetoSlide bietet auf sehr einfache Art und Weise innerhalb von max. 24 Stunden die Erregerunterscheidung auf gram-Ebene an.

Mit beiden Tests ist eine schnelle zielgerichtete Antibiotikatherapie möglich.

Mit dem Antibiogramm (Resistenztest) werden die Antibiotika bestimmt, die gegen den Erreger nicht-wirksam sind. So können Mastitis-Behandlungen mit unwirksamen Antibiotika vermieden werden.

Schalm-Milchzelltest

Ein wichtiger Kennwert der Mastitis ist die Zellzahl in der Milch. Der Schalm-Test gibt Aufschluss darüber, wieviel Abwehrzellen aus dem Blut in die Milch gelangt sind. Eine erhöhte Zellzahl zeigt eine Reizung oder ein Entzündungsgeschehen an. Der Schalm-Test kann von jedem Landwirt selbst durchgeführt werden. Dazu müssen nur die Milch des Viertelanfangsmelkens und die Testflüssigkeit in einer Schale vermischt werden. Durch Betrachten der Konsistenz des Flüssigkeitsgemisches kann dann die Zellzahl der Milch grob bestimmt werden.
Die Milch einer eutergesunden Kuh hat weniger als 100.000 Zellen/ml. Das Gemisch ist dann flüssig, hat keine Schlieren und kann in kleinen Portionen abgegossen werden. Eine veränderte Konsistenz zeigt eine erhöhte Zellzahl an und damit den Grad / die Art des Infektionsgeschehens:

  • Das Gemisch lässt sich in kleinen Portionen abgießen, es zeigen sich aber leichte Schlieren => 100.000 – 300.000 Zellen/ml.
  • Das Abgießen wird schwierig und es zeigen sich Schlieren sowie leichte Gelbildung => 300.000 – 500.000 Zellen/ml.
  • Das Abgießen wird bei starken Schlieren- und deutlicher Gelbildung schwieriger => ca. 500.000 – 1,5 Mio. Zellen/ml.
  • Das Abgießen ist unmöglich, Schlieren und Gelbildung sind stark ausgeprägt => über 1,5 Mio. Zellen/ml.

Hinweis: Bei Färsen können Erregernachweis und Resistenztext auch vor dem Abkalben durchgeführt werden. Die bakteriologische Untersuchung von Viertelgemelksproben sollte jedoch erst nach dem Kalben vorgenommen werden (maximal nach 5 Tagen, um auch nicht auffällig gewordene Infektionen aufzuspüren). Sekret und Milch sollten ggf. auch einer Polymerase-Kettenreaktion (PCR) unterzogen werden, um das Erbmaterial von Erregern nachzuweisen.

Richtige Milchprobenentnahme

Milchprobenuntersuchungen sind die Basis jeder zielgerichteten Mastitistherapie oder -vorbeugung, denn mit ihnen lassen sich sowohl Mastitiserreger als auch – über das Antibiogramm – Resistenzen bzw. die gegen diese Erreger unwirksamen Antibiotika ermitteln. Bei der subklinischen Mastitis steht die Milchprobe am Anfang der evidenzbasierten Therapie, da über das Antibiogram unwirksame Antibiotika verworfen werden können. Bei einer (schweren) klinischen Mastitis hingegen sind die Ergebnisse wichtig, um zu sehen, ob die bereits begonnene Behandlung die richtige war oder angepasst werden muss.
Generell sollten Proben von allen vier Eutervierteln genommen werden. Bei einem Herdenscreening sollten hierzu 10% bis 20% des Bestands beprobt werden, bei einer Bestandssanierung sollten die Proben von allen Tieren genommen werden.

Die richtige Vorgehensweise:

  • Probenzeitpunkt vor dem Melken und ggf. vor einer Antibiotikumgabe wählen,
  • Probenröhrchen beschriften,
  • Unterseite des Deckels nicht berühren oder z.B. auf dem Boden ablegen,
  • Handschuhe tragen,
  • Euter anrüsten,
  • 2 – 3 Strahlen Milch in einen Vormelkbecher melken,
  • Zitzen möglichst trocken reinigen,
  • Zitzen und Zitzenkuppe am besten einzeln desinfizieren,
  • weiteren Milchstrahl in den Vormelkbecher melken,
  • Proberöhrchen schräg anlegen (es darf die Zitze nicht berühren und nicht verschmutzen!),
  • Milch in das Proberöhrchen melken,
  • Proberöhrchen kaltstellen und schnell versenden.

Eine Mastitisvorbeugung kann nur dann Erfolg haben, wenn sie Tiergesundheit, Haltung und Fütterung sowie den Melkvorgang gleichermaßen umfasst. Regelmäßige Kontrollen ermöglichen rechtzeitiges Erkennen des Infektionsgeschehens und damit auch rechtzeitiges Eingreifen. Besonderes Augenmerk sollte bei der Mastitis-Vorbeuge aber auf dem Melkvorgang liegen!

  • Da sich Erreger in Verletzungen der Melkerhand festsetzen und so trotz ausgiebigen Händewaschens übertragen werden können, sollten Melkhandschuhe getragen und regelmäßig mit Brennspiritus oder 0,4-prozentige Peressigsäurelösung gereinigt werden.
  • Zitzenwände und Zitzenspitzen sollten vor dem Melken nach dem Motto „Jeder Kuh ihr eigenes Tuch“ gereinigt werden. Entweder mit Einweg-Euterpapier oder mit Mehrwegtüchern, die jedoch nur bei einem Tier Anwendung finden und dann in die Kochwäsche kommen. Die Dippmittel sollten an die Anwendung angepasst sein: milchsäurehaltige Dippmittel zur Pflege, jod- oder chlordioxidhaltige zur Desinfektion (Achtung: bei Minustemperaturen => Erfrierungsgefahr und bei jodhaltigen Barrieredipps => Anhaftung der Einstreu).
  • Beim Ansetzen des Melkzeugs sollten Position (Abrutschen der Melkbecher und Lufteinbruch vermeiden) und Zeit (1 bis 1,5 Minuten zwischen erstem Kontakt am Euter und Ansetzen) beachtet werden.
  • Vormelken mit dem Vormelkbecher: Nie auf den Boden melken, das kann zu Übertragung von Erregern führen. Das gesetzlich vorgeschriebene Vormelken spült den Strichkanal durch. Im Vormelkbecher kann überdies die Milch auf Auffälligkeiten überprüft werden.
  • Zitzengummis sollten regelmäßig nach Herstellerangaben (im Schnitt nach 2500 Melkvorgängen oder 700 Arbeitsstunden) ausgetauscht werden, da rissige Gummis, wie rissige Hände auch, Anheftungsstellen für Keime sind.
  • Um Ansteckung zu vermeiden, sollte man den Zitzenbecher regelmäßig desinfizieren. Geeignete Methoden zur Zwischendesinfektion sind:
    • Die Zitzenbecher sollten mit Desinfektionslösung aus einer Sprühflasche besprüht werden;
    • Besonders in Fischgrätenmelkständen sollte das Melkgeschirr in einem Eimer mit Desinfektionslösung eingetaucht und geschwenkt sowie anschließendem mit Wasser ausgespült werden;
    • In Melkkarussellen sollte ein Tauchbecken mit Wasser zum Vorspülen, ein Tauchbecken mit 2-prozentiger Peressigsäure zur Desinfektion und ein drittes Tauchbecken mit Wasser zum Nachspülen (Schleppwanne) verwendet werden;
    • Bei automatischen Verfahren wird mittels Druckluft nach jedem Melkvorgang Desinfektionslösung in die Melkeinheit gepresst (Back-Flush- oder Airwash-System).
  • Bei Mastitis-Problemen im Bestand sollte in der Reihenfolge gesunde, zellzahlauffällige, infizierte Tiere gemolken werden.
  • Damit der durch den Melkvorgang strapazierte (gestreckte und geweitete) Melkkanal nicht beim Liegen kontaminiert werden kann, sollten die Tiere nach dem Melken mit frischem Futter versorgt und zum Futter aufnehmen animiert werden.
  • Um die Zitzen zu schonen sollten auch automatische Melksysteme einen Futteraufnahmeplatz am Ausgang aufweisen. Zudem sollte die Anzahl der Melkungen auf 4 pro Tag begrenzt werden.

Da Kuh und Euter sich erholen können, ist das Trockenstellen mit einer Ausheilungsrate von bis zu 50% ein wirksames Mittel gegen Mastitis. Allerdings birgt das Trockenstehen in den Zeiträumen, in denen der Keratinpfropf im Strichkanal noch nicht oder nicht mehr voll ausgebildet ist, auch ein 15%iges Risiko von Neuinfektionen. Es muss also unbedingt auf Stallhygiene und Fütterung geachtet werden.

Antibiotisches Trockenstellen in Kombination mit dem Einsatz eines internen Zitzenversieglers sollte subklinische Mastitis ausheilen und Neuinfektionen weitestgehend vermeiden. Allerdings sollte ein antibiotisches Trockenstellen hinterfragt werden, wenn die Zellzahl im „normalen“ Bereich (unter 100 000/ml) liegt und die Neuinfektionsrate unter 15% bzw. die der klinischen Mastitiden im ersten Monat nach der Kalbung unter 5% liegt.

Langfristig ist ein gutes Trockenstehermanagement auch der Garant für eine eutergesunde Herde, die ohne großen Einsatz von Antibiotika auskommt. Eutergesunde Kühe können präventiv auch ohne Antibiotika trockengestellt werden, allerdings empfiehlt sich die Verwendung eines Zitzenversieglers.