Im Gegensatz zum Menschen hat die Kuh keinen Menstruationszyklus, sondern einen Brunstzyklus, der etwa 21 Tage dauert, durch Hormone gesteuert und in 4 Phasen unterteilt wird: Vorbrunst, Hauptbrunst, Nachbrunst und Zwischenbrunst.

In der modernen Rinderhaltung gibt es eine Reihe von Faktoren, die dieses natürliche Zusammenspiel der Hormone beeinflussen und im schlimmsten Fall stören können. Die körperliche Verfassung des Tieres gehört ebenso zu diesen Faktoren wie Umfeld (Haltung und Hygiene) und Futterangebot (Nährstoff-, Energiezufuhr), aber auch Stress. Der Landwirt hat damit viele Möglichkeiten, optimale Bedingungen für hormonell ausgeglichene Kühe zu schaffen.

Von der Fruchtbarkeit der Kühe eines Betriebes hängt letztlich alles ab: Nachzucht, Milchproduktion, Fleischerzeugung. Sie beeinflusst die Abkalberate, die Zahl der Laktationen und die Milchleistung pro Lebenstag (Lebenseffektivität). Auch zeigt sie sich schlicht in der Anzahl gesunder Kälber, die zukünftige Erträge und Wettbewerbsfähigkeit sichern.

Das Futter macht‘s

Es lohnt sich also, mit den Haltungsbedingungen auch die Fruchtbarkeit der ganzen Herde zu verbessern. Ganz wichtig für die Konstitution der Kühe ist das Futter: Richtige Menge, richtige Qualität, richtige Inhaltsstoffe. Falsche, unausgewogene Fütterung kann zu Übersäuerung des Pansens führen, Stoffwechselstörungen (Ketose, Milchfieber) auslösen oder zu Stillbrunst und Zystenbildung führen.
Darauf kommt’s an:

  • Futterplatz: gut zugänglich, appetitlich sauber und mit genug Platz für alle Kühe,
  • Futterqualität: hochwertig, keine Schimmelbildung, keine Verunreinigungen,
  • Futtermenge: Anpassung des Energie- und Nährstoffbedarf an die verschiedenen Phasen (vor/nach der Kalbung, Laktation, Spätlaktation, Trockenstehphase/Weidefütterung),

Um die Konstitution der Herde zu überwachen, sollten die Rückenfettdicke oder der Body Condition Score (BCS) regelmäßig bestimmt werden.

Eine „gute“ Fütterung sollte aber nicht nur den Kühen vorbehalten bleiben. Nachweislich profitieren auch Kälber ein Leistungsleben-lang von intensiver (guter!) Tränkeversorgung und Fütterung. Das Mehr an Nahrung lässt sie nicht nur schwerer werden, vor allem entwickeln sich die Reproduktionsorgane besser und früher. Anders gesagt, das Erstkalbealter wird heruntergesetzt, was die Aufzuchttage und damit Kosten reduziert.

Immer mit der Ruhe

Auch Kühe haben Stress, zum Beispiel bei zu hoher Belegdichte im Stall oder zu viel Konkurrenz an zu wenig oder zu kleinen Futterplätzen. Und auch bei Kühen wirkt Stress sich negativ auf die Gesundheit und damit auf die Fruchtbarkeit aus. Bei schlechter Haltung können Gebärmutterkrankheiten oder Euterentzündungen auftreten. Nisten sich Bakterien z. B. im Euter ein, können ihre Giftstoffe die Fruchtbarkeit negativ beeinflussen oder gar die Trächtigkeit verhindern.

Beim hochträchtigen Tier sind Ruhe und Hygiene das „A und O“. Idealerweise kommt die Kuh rechtzeitig vor dem Abkalben in eine Abkalbebucht. Kalbt sie stressfrei in einer ruhigen und sauberen Umgebung, tut das ihr und dem Kalb gut und beugt Infektionen vor.
Übrigens: Führt falsches Futter- und Stallmanagement schon beim Einzeltier zu Problemen, wird es richtig kritisch, wenn der ganze Bestand leidet. Herdenfruchtbarkeitsstörungen sind oft eine Folge von schlechtem oder falschem Reproduktions-Management. Häufig sind sie aber auch auf suboptimale Futter- und Stallbedingungen zurückzuführen.

Nach der Brunst ist vor der Brunst: Der neue Zyklus beginnt mit der Hauptbrunst, dem Östrus und wird in vier Phasen unterteilt:

  • (Haupt)Brunst (Östrus), 1. Tag:
    • hohe Ausschüttung von Östrogenen,
    • Aufspringen, Stehen, Ohrenspiel, Flehmen, Wittern, Schwanz erhöht, Rücken durchgebogen,
    • Schamlippen glatt und geschwollen, sichtbarer Brunstschleim,
    • optimaler Zeitpunkt zum Besamen 6-8 Stunden nach Beginn.
  • Nachbrunst (Postöstrus), 2.-4. Tag:
    • Eisprung erfolgt ca. 30 Stunden nach Beginn der ersten Brunst-Symptome,
    • der Gelbkörper wird aus dem Follikel gebildet und produziert Progesteron,
    • die Eizelle wird vom Eileiter aufgenommen und ist bereit für die Befruchtung.
  • Zwischenbrunst (Diöstrus/Interöstrus), 5.-18. Tag:
    • sexuelle Ruhe,
    • verstärkte Produktion von Progesteron als Trächtigkeitsschutzhormon, Reifung neuer Follikel mit Eizellen
  • Vorbrunst (Proöstrus), 19.-21. Tag:
    • Stärkerer Bewegungsdrang, Neugier (auch auf Menschen), Kopfauflegen, Scham anderer Kühe beschnuppern, Aufspringversuche, abstehender Schwanz,
    • Entwicklung der neuen Follikel

Der Brunstzyklus der Kuh wird durch Hormone gesteuert. Wer ihre Funktionsweise zumindest im Ansatz versteht, ist in Sachen Fruchtbarkeits- und Reproduktionsmanagement klar im Vorteil. Aber auch wenn es um Hormonbehandlungen bei Gebärmutter- oder Eierstockerkrankungen durch den Tierarzt geht, schadet ein Grundwissen dem Landwirt nicht.

Hormone werden von Drüsen gebildet. Als biochemische Botenstoffe lösen sie in Organen oder Zellen bestimmte Vorgänge aus. Oft sorgt ein Hormon für die Produktion eines weiteren, das dann wieder die Produktion eines dritten auslöst. Solch eine hormonelle Achse bestimmt auch den Brunstzyklus oder Fruchtbarkeitszyklus bei der Kuh. Vereinfacht gesagt läuft das wie folgt ab:

  1. Das Zwischenhirn (Hypothalamus) produziert das Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH).
  2. Das GnRH gelangt zur Hirnanhangdrüse (Hypophyse) und sorgt dafür, dass diese Gonadotropine freisetzt (daher „Release“).
  3. Ein Gonadotropin ist Follitropin, das meistens als follikelstimulierendes Hormon (FSH) bezeichnet wird. Es stimuliert am Eierstock Wachstum und Reifung von Eibläschen (Follikeln).
  4. Das zweite Gonadotropin ist Lutropin, das meistens als luteinisierendes Hormon (LH) bezeichnet wird. Es löst den Eisprung aus und bewirkt die Bildung des Gelbkörpers aus dem Follikel.
  5. Eierstöcke bzw. Eisbläschen bilden Östrogene. Sexualhormone, die die Brunstsymptome hervorrufen.
  6. Nach erfolgtem Eisprung wandert die Eizelle in den Eileiter und aus dem restlichen Eibläschen bildet sich der Gelbkörper. Dieser produziert Progesteron, das die Gebärmutter für die befruchtete Eizelle vorbereitet. Gleichzeitig schützt es die Trächtigkeit, indem es die Ausschüttung von GnRH und damit von FSH und LH unterdrückt.
  7. Wenn keine Befruchtung stattgefunden hat, produziert die Gebärmutterschleimhaut Prostaglandin (PG). PG sorgt dafür, dass sich der Gelbkörper wieder auflöst. So wird kein Progesteron mehr gebildet, wodurch wieder GnRH freigesetzt wird und der Zyklus erneut beginnen kann.
    „Begleitet“ werden die Hormone unter anderem von Pheromonen. Diese chemischen Botenstoffe finden sich im Atem, in Hautausscheidungen oder Körperflüssigkeiten. Kühe können die Pheromone riechen und durch sie unter Umständen zur eigenen Brunst animiert werden.

Das Zusammenspiel der Hormone im Überblick

In einem gesunden Organismus greifen die hormonellen Abläufe wie ein Uhrwerk ineinander. Der Landwirt und der Tierarzt können dieses Uhrwerk beobachten, erfassen, auswerten und seinen Lauf optimieren. Eine solide Stalldokumentation und EDV-basierte Fruchtbarkeitsüberwachung leisten gute Dienste, um die Kennzahlen des Fruchtbarkeitsmanagements zu berechnen. Die wichtigsten Kennzahlen sind:

  • Zwischenkalbzeit (ZKZ): Zeit zwischen zwei Kalbungen, i. d. R. 12/13 Monate
  • Güstzeit (GZ): Zeit zwischen Abkalbung und erstem Trächtigkeitstag, i. d. R. 85-115 Tage
    • Rastzeit (RZ): Zeit zwischen Abkalbung und ersten Besamung.
      • Freiwillige Wartezeit (FWZ): Eine Managemententscheidung, wie lange nach der Abkalbung gewartet werden soll, bis die Kühe wiederbelegt werden sollen, i. d. R. 45-70 Tage
      • Unfreiwillige Wartezeit (UFWZ): Zeit zwischen Ende der FWZ und nächster Belegung
    • Verzögerungszeit (VZ): Zeit zwischen erster Besamung und erstem Tag der Trächtigkeit
  • Trächtigkeitsindex (TI): Anzahl der Besamungen pro trächtig gewordenem Tier
  • Brunsterkennungsrate (BER): Anzahl der als brünstig erkannten Tiere
  • Brunstnutzungsrate (BNR): Anteil besamter Tiere 21-24 Tage nach Ende der FWZ, optimal 60% – 80%
  • Erstbesamungserfolg (EBE): Anteil der Tiere, die nach der ersten Besamung tragend geworden sind. Angestrebt werden 50%-60%, erreicht werden meistens 34%-40%.
  • Abkalberate (AR): „Geburtenrate“ der belegten Tiere, ideal über 90%

Das kontinuierliche Erheben und Auswerten dieser Parameter trägt dazu bei, das Fruchtbarkeitsmanagement zu optimieren und eventuelle Fruchtbarkeitsstörungen baldmöglichst zu erkennen.

Gibt es in einem Betrieb Fruchtbarkeitsprobleme, lässt sich das Uhrwerk der Hormone nämlich auch nutzen, um regulierend in den Zyklus einzugreifen. (Vorausgesetzt, dass Haltungs- und Fütterungsbedingungen stimmen.) Besondere Bedeutung kommt hier den beiden Hormonen zu, die sich am Anfang und am Ende des Zylkus „begegnen“: GnRH und Prostaglandin.

Terminorientierte Besamung mit GnRH

Mit GnRH kann der Tierarzt darauf einwirken, dass mehr FSH und insbesondere LH ausgeschüttet werden. Das stimuliert die Eierstöcke der Eizelle und setzt in der Konsequenz die Trächtigkeitsrate (v.a. bei künstlicher Besamung) herauf. Darüber hinaus kann GnRH auch zur Behandlung von oder Eierstockszysten oder verzögertem Eisprung angewendet werden.

Im Rahmen von herdenübergreifenden Fruchtbarkeitsprogrammen kann dieser „Zeithebel“ dafür sorgen, dass der Eisprung sich bei allen Tieren mehr oder minder zeitgleich ereignet (Ovualtionssysnchronisation), so dass eine terminorientierte Besamung ohne Brunstbeobachtung möglich ist. Bei den meisten Programmen zur terminorientierten Besamung werden GnRH und Prostaglandin kombiniert. Je nach Zielsetzung unterscheiden sich die Programme. So steht z.B. beim Ovsynch die baldige Synchronisation der Ovulation im Fokus, während Presynch auf eine längerfristige Vorsynchronisation hinzielt und Resynch auf eine baldige Resynchronisation bei „im ersten Anlauf“ nicht befruchteten Eizellen.

Brunstsynchronisation mit Prostaglandin F2a

Gezielte Gaben von Prostaglandin sorgen dafür, dass kein Progesteron mehr ausgeschüttet wird und ein neuer Zyklus beginnen kann. Voraussetzung ist das Vorhandenseins eines Gelbkörpers. Außer zur Rückbildung dieses Gelbkörpers kann Prostaglandin auch gegen Gelbkörperzysten, und Gebärmuttererkrankungen sowie zum Trächtigkeitsabbruch vor dem 150. Trächtigkeitstag und zur Geburtseinleitung eingesetzt werden.

Durch das Unterdrücken der Progesteron-Produktion wird gewissermaßen letztlich eine neue Brunst eingeleitet, weshalb eine Behandlung mit Prostaglandin auch das Mittel der Wahl zur Brunstsynchronisation mit Brunstbeobachtung ist.

Die Abfolge von Prostaglandin-Gaben, Brunstbeobachtung und Besamung variiert je nach konkreter Zielsetzung und Ausgangslage. So können z.B. alle relevanten Tiere zum Eisprung gebracht werden oder aber ausschließlich jene Tiere behandelt werden, bei denen bereits vorab das Vorhandensein von Gelbkörpern geprüft wurde. GnRH und PGF2a können auch kombiniert verabreicht zum Erfolg führen. Eine weitere Behandlungsmethode ist die Gabe von Progesteron über das Futter oder Spiralen.

Fazit

Der Eingriff in das Uhrwerk der Hormone muss wohlüberlegt sein und sollte unter tierärztlicher Kontrolle erfolgen. Auch funktioniert er nur in einem optimalen Umfeld wirklich gut. Doch richtig getaktet ist dieses Werk entscheidend für den Erfolg der Rinderhaltung und Milchwirtschaft. Denn nur eine gesunde Kuh bringt ein starkes Kalb und eine starke Milchleistung.