Rindergrippe, bzw. Kälbergrippe stellt eines der Hauptthemen der Rinderhaltung dar und beinhaltet Infektionen des Atemtraktes. Verursacht wird diese Erkrankung meist durch Infektionen vor allem mit Viren und Bakterien, aber auch Parasiten können zu den Auslösern gehören.

Vor allem in Betrieben mit intensiver Tierhaltung kommt es durch die Rindergrippe oft zu hohen wirtschaftlichen Verlusten. Neben dem Kälberdurchfall ist sie die häufigste Erkrankung bei Kälbern in den ersten neun Lebensmonaten. Überwiegend werden ganze Tiergruppen oder der gesamte Bestand betroffen. Aufgrund von hervorgerufenen Entzündungsreaktion kann es zu schweren bis irreversiblen Lungenschäden kommen. Diese sind dann für das Auseinanderwachsen der Tiergruppen und für Leistungsverluste verantwortlich:

  • längere Mastdauer und erhöhtes Erstkalbealter durch verringerte Tageszunahmen
  • deutlich verringerte Milchleistungen bei der Milchkuh

Die wirtschaftlichen Einbußen durch die Rindergrippe gehen europaweit in die Millionen. Die Verluste errechnen sich aus der erhöhten Sterblichkeitsrate im Bestand, Tierarztkosten und aus den Kosten für den Mehraufwand (z.B. Tierbewegungen während der Behandlung) ebenso wie aus den Langzeitfolgen der Erkrankung.

Quelle: Gaigl, T. (2018), Literaturübersicht zu den Auswirkungen von prophylaktischen Maßnahmen gegen Kälberdurchfall und Kälbergrippe auf das Erstkalbealter, die Milchleistung und die Nutzungsdauer des adulten Tieres. Masterarbeit HSWT

Atemwegserreger kommen häufig natürlicherweise in der normalen Keimflora der Tiere oder in dessen Umgebung vor. Schwächen Stressoren jedoch die Abwehrkräfte eines Kalbes können sich die Erreger im ansonsten keimfreien Atmungstrakt ansiedeln. Dann sind in der Regel Viren als Primärerreger die Wegbereiter für eine bakterielle Sekundärinfektion (allerdings können auch rein bakterielle Infektionen vorkommen), die den weiteren Verlauf der Krankheit bestimmen und erschweren. Durch die von den Bakterien abgesonderten Gifte kommt es schließlich zu einer überschießenden Entzündungsreaktion, die irreversible Schäden des Lungengewebes verursachen.

Die Rindergrippe kann als crowding-assoziierte oder als saisonale Form auftreten. Die erst genannte Form bezeichnet die Erkrankung von Tieren aus verschiedenen Herkunftsbetrieben, die zusammen transportiert oder aufgestallt werden. Bei der anderen Form handelt es sich um eine Erkrankung, die durch Umwelteinflüsse wie nasse Kälte oder starke Temperaturschwankungen hervorgerufen wird.

Immunologische Lücke: Besondere Vorsicht gilt während der sogenannten immunlogischen Lücke. Kälber haben von Geburt aus keinen Abwehrschutz (Antikörper) gegen Erreger. Deshalb erhalten sie Abwehrkräfte von der Mutter (mütterliche Antikörper) über die Biestmilch. Diese im Kolostrum/Biestmilch enthaltenen Antikörper werden nur in den ersten 2 bis 4 Lebensstunden über den Darm ins Blut aufgenommen. Danach nimmt die Aufnahmefähigkeit rasch ab.

Während die eigenen Abwehrkräfte (aktive Immunität) immer stärker wird, nimmt die von der Mutter erhaltene Abwehr (passive Immunität) zunehmend ab. Während der 3. bis 6. Lebenswoche entsteht dann die immunologisch Lücke: Durch den Abbau der mütterlichen Antikörper nimmt der passive Schutz des Kalbes ab, während der aktive Schutz des Kalbes noch schwach ist. In dieser Lebensphase des Kalbes besteht eine besonders hohe Anfälligkeit für Infektionen.

Je mehr Kolostrum sehr guter Qualität das Kalb unmittelbar nach der Geburt aufnimmt, desto geringer ist die immunologische Lücke und das Infektionsrisiko kann dadurch minimiert werden.

Infektionsablauf einer Atemwegserkrankung

Zugluft, Temperaturschwankungen oder zu hohe Luftfeuchtigkeit sind ebenso auslösende Faktoren einer Kälbergrippe wie Schadgase oder Staub, die Reizungen und Entzündungen der tieferen Atemwege hervorrufen können. Beim Einatmen der Atemluft werden diese Partikel ebenso wie Viren und Bakterien tief in die Lungen befördert.

Bei einem gesunden Tier werden in der Luftröhre diese Partikel wie auch Keime in einem dünnflüssigen Schleim zurückgehalten und hinausbefördert bzw. herausgehustet. Bei einem durch Viren oder Bakterien infizierten Tier wird dieser Schleim immer zähflüssiger, so dass das Abhusten dieser Partikel nicht mehr funktioniert. Außerdem bildet dieser zähe Schleim einen idealen Nährboden für die Erregervermehrung. Zudem können körpereigene Abwehrstoffe in diesen Schleim „hängen bleiben“ und die Erreger nicht mehr bekämpfen.

Die Kälberpneumonie weist unterschiedliche Erscheinungsbilder auf, wobei oft anfänglich milde Verläufe übersehen werden. Mit fortschreitendem Krankheitsverlauf verstärken sich die schädigenden Veränderungen und die Rindergrippe wird deutlich erkennbar, meist als Bestandserkrankung.

Erstes Alarmzeichen ist fast immer die erhöhte Körpertemperatur. Dies erfordert, dass in den ersten zwei bis vier Lebenswochen eines Kalbes regelmäßig die Körpertemperatur kontrolliert werden sollte. Bei einem Zukauf empfiehlt sich zudem eine Einstallungsuntersuchung durch den Tierarzt.

Weitere Erscheinungsbilder sind erhöhte Atemfrequenz und flache (Bauch-)Atmung mit Husten. Schließlich kann es zu einer schweren Atemnot mit Maulatmung kommen. Es zeigt sich zunächst wässriger später zäher Ausfluss aus Nase und Augen. Das Tier ist zunehmend abgeschlagen bis zur Apathie und verweigert das Futter. Bei schweren Verläufen kommt es zu Festliegen und Tod.

Klinische Symptome der Rindergrippe

  • Fieber (>39,5°C)
  • Husten
  • Klarer bis eitriger Nasen- und Augenausfluss
  • Reduzierte bis keine Futter- bzw. Tränkeaufnahme
  • Beschleunigte Atmung bis schwere Atemnot
  • Hängender Kopf
  • Milde Verlaufsformen bis zu hohen Verlustraten
  • Auseinanderwachsen der Gruppe bis hin zu Kümmern

Tabellarische Übersicht der Stadien der Rindergrippe

Krankheitssymptome Heilungsaussichten
  • Fieber
  • Husten
  • Beschleunigte Atmung
  • Nasen- und Augenausfluss
gut
  • Angestrengte Atmung
  • Zunehmende Abgeschlagenheit
  • Verweigerung der Tränke- und Futteraufnahme
fraglich
  • Zunehmende Atemnot (Bauchatmung, Maulatmung) infolge Lungenblähung und/oder umfangreichen Verdichtungen des Lungengewebes
  • Kümmern
  • Wiederholte Krankheitsschübe
schlecht bis aussichtslos

Quelle: Rademacher, G. Kälberkrankheiten, Eugen Ulmer KG, Stuttgart, 3. Auflage: 66

Damit die Maßnahmen zur Vorbeugung einer Rindergrippe wirklich greifen, müssen sie alle infektiösen und nichtinfektiösen Faktoren, die eine Atemwegserkrankung fördern können, einschließen. Es müssen die Haltungsbedingungen optimiert, der Infektionsdruck verringert und das Immunsystem gestärkt werden.

Kurzgefasst gilt: gute Haltungsbedingungen = weniger Krankheiten.

Die optimalen klimatischen Bedingungen im Stall entsprechen denen vor dem Stall. Während die Frischluft in ausreichendem Maß zugeführt werden soll, müssen Schadgas- und Staubkonzentration gering und die Luftfeuchtigkeit nicht zu hoch gehalten werden. Jedem Tier sollte ein Luftraum von 7 bis 8 m3 je 50 kg Körpergewicht zugestanden werden. Es ist nicht empfehlenswert bei kleineren Räumen dies durch höhere Lüfterleistungen auszugleichen. Denn soll der Luftaustausch alle zehn Minuten erfolgen, steigt die Luftgeschwindigkeit auf ein die Empfehlungen (2 m pro Sekunde) übersteigendes Maß an.

Beim Anbringen der Belüftungsöffnungen muss berücksichtigt werden, dass Kälber über eine geringere Wärmeentwicklung verfügen, so dass im Gegensatz zu ausgewachsenen Rindern die Thermik deutlich niedriger ist. Daher sollte die Unterbringung der Tiere auch nach Altersgruppen erfolgen, um sicherzustellen, dass die Kälber in ihrem Liegebereich keiner „herabfallenden“ kalten Außenluft ausgesetzt sind. Als Abstufung gelten: unter 2 Monate, 2 bis 6 Monate, über 6 Monate.

Die Ställe sollten außerdem in einem Alles-rein-Alles-raus-Verfahren belegt und zwischen den Durchgängen gründlich gereinigt und desinfiziert werden. Eine gute Versorgung mit Biestmilch zur Stärkung der körpereigenen Abwehr sollte selbstverständlich sein.

  • professionelles Kolostrummanagement
  • bedarfsgerechte Nährstoffversorgung (in den ersten Lebenswochen nur über Milch!)
  • sorgfältige Futterumstellung (Durchfallprophylaxe)
  • nur qualitativ einwandfreies Futter und frisches Wasser (artgerecht, ad libitum)
  • alters- und leistungsgerechte Fütterung
  • Futter- und Trinkwasserhygiene
  • Reduzierung der Belegdichte (≥ 3 m² pro Kalb)
  • Gezielte Belüftung/Ventilation
    • Optimierung des Mikroklimas im Stall (Temperatur, Staubgehalt, Keime, Luftbewegung, Lufterneuerung, Wind-/Wetterschutz, Luftfeuchtigkeit 60 – 80 %)
  • Tägliche Reinigung des Stallbereiches
    • Schadgaskonzentration im Liegebereich von < 5 ppm Ammoniak, < 5 ppm Schwefelwasserstoff, < 3000 ppm Kohlendioxid
  • Ungezieferbekämpfung
  • Tierschutzgerechtes Handling mit möglichst wenig Handwechseln
    • Absetzen, Enthornen, Umstallungen, Neugruppierungen, Futterumstellungen
  • Parasitenprophylaxe und -bekämpfung (Entwurmung)
  • gezielte Impfprogramme und strategische Herdenimpfung
  • Stressminderung beim Transport
    • (Transportmittel, Wegstrecke, ausreichende Ruhepausen mit guten Futter- und Wasserversorgung)
  • Einstallungsquarantäne und tierärztliche Einstallungsuntersuchung
  • wenige, aber gute („vertrauenswürdige“) Zulieferer
  • Isolierung von auffälligen Einzeltieren (Krankenabteil)
  • Alles-rein-Alles-raus-Verfahren mit Grundreinigung und Desinfektion
  • kein Gruppenwechsel
  • Regelmäßige Temperaturkontrolle

Wird der Bestand bei allen Vorsichtsmaßnahmen infiziert, fußt jede Therapie der Rindergrippe auf dem Grundsatz „Jede Minute zählt“, um das erwartete Leistungspotential der Kälber aufrechtzuerhalten.

Jeder versäumte Behandlungstag verschärft das Infektionsgeschehen, die Schwere der irreversiblen Lungenschäden und damit die Langzeitfolgen bzw. die lebenslangen Leistungseinbußen.

Zur Therapie der Rindergrippe sollte daher sofort ein Tierarzt hinzugezogen werden, sobald das Infektionsgeschehen sich durch erhöhte Körpertemperatur und/oder beschleunigte Atmung bemerkbar macht.

Vor allem obliegt dem Tierarzt die Abstimmung der ineinandergreifenden Therapieansätze.

Verhinderung der Ausbreitung der Krankheitserreger: Möglichst schnell sollte eine antibiotische Therapie zur Bekämpfung von Sekundärinfektionen durch Bakterien und/oder Mykoplasmen begonnen werden. Wenn mehrere Tiere erkrankt sind, sollte die Behandlung auf die gesamte Gruppe oder den gesamten Bestand in Betracht gezogen werden. Das heißt, es sollten unter Umständen auch noch nicht erkrankte, aber gefährdete Tiere behandelt werden.

Unterbrechung der überschießenden Entzündungsreaktionen in der Lunge: Um die irreversible Schädigung des Lungengewebes und die damit verbundenen Leistungseinbußen zu vermindern, sollten die Tiere zusätzlich zur Antibiose unbedingt mit Entzündungshemmern behandelt werden.

Verbesserung des Allgemeinbefindens: Um Leistungs- und Entwicklungsstörungen vorzubeugen, sollten neben der Verabreichung von Entzündungshemmern auch schleimlösende Arzneimittel angewendet werden.